Wissen Sie eigentlich, wofür Konflikte gut sind?

Konflikte gehören zum Leben, wie weinen und lachen. Es gibt kein Leben ohne Konflikte. Wir sind geprägt durch unsere Biographie und Lebenserfahrung. Wie sind Ihre Selbstbeobachtungen ausgefallen? Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen. Heute der 4. Teil in der Reihe darüber, wofür Konflikte gut sind.

Das fragen Sie sich vermutlich auch oft …

Sie haben gerade eine ziemlich anstrengende Auseinandersetzung mit Ihrem Mitarbeiter Chris hinter sich. Er hat Ihnen eine Idee vorgetragen, die er total gut fand. Bloß bei Ihnen kam die Idee gar nicht so gut an … Sie hatten gerade in der letzten Teamsitzung das Vorgehen mit allen Teammitgliedern abgestimmt. Deswegen passt die Idee aus Ihrer Perspektive nicht ins Konzept, ist auch zu arbeitsaufwändig und erscheint Ihnen mal wieder als „Schnapsidee“ von Chris.

Sie fragen sich: „Warum muss ich mich mit solchen Ideen so lange auseinandersetzen? Das stiehlt mir die Zeit und bringt uns nicht wirklich weiter.“ Ja, warum?

Warum geraten wir mit anderen Menschen in Konflikte, obwohl wir denken, das ist doch jetzt nun gar nicht nötig. Alle wissen doch, was zu tun ist. Wieso kommt Chris jetzt mit seiner Idee an, wo doch alles besprochen ist?

Konflikte sind nötig, damit wir uns voneinander unterscheiden

Wir Menschen sind durch zwei wichtige Merkmale geprägt:

  • Wir sind Gruppen- oder anders gesagt Beziehungswesen. Wir brauchen andere Menschen, um überhaupt überleben zu können. Manchen Menschen sind ganz nah und andere sind uns etwas ferner. Deswegen brauchen wir Konflikte. Damit wir Nähe und Distanz zu anderen ausbalancieren können.
  • Und wir sind Individuen, obwohl wir in Beziehungen leben und andere Menschen oft gern um uns haben. Wir brauchen andere Menschen, damit wir uns von ihnen unterscheiden können. Damit wird diese Unterschiede wahrnehmen können, dafür brauchen wir Auseinandersetzungen mit anderen Menschen. Erst im Unterschied, in der Differenz erkennen wir uns selbst.

Das sind die Prozesse, die auf der psychodynamischen Ebene stattfinden, die überwiegend durch das Unbewusste gesteuert werden. Konflikte haben noch einen ganz praktischen Grund – auf der Sachebene betrachtet –, der mit der Differenz zusammenhängt. Individuen haben unterschiedliche Interessen. In Konflikten werden diese unterschiedlichen Interessen ausgehandelt, mehr oder weniger zufriedenstellend.

Konflikte sind Interessensunterschiede. Das kann helfen, Auseinandersetzungen mit etwas mehr Distanz zu betrachten und gleichzeitig zu erkennen, es sind bei jedem Konflikt noch andere Faktoren im Spiel, die wir nur in der Situation erkennen können. Wenn überhaupt.

Was ist zu tun?

Zurück zu Chris und Ihnen. Sein Interesse ist, auf der psychodynamischen Ebene gesehen, als Individuum gesehen zu werden. Er will gerade nicht in der Gruppe mitlaufen. Auf der Sachebene denkt Chris: „Ich habe eine tolle Idee. Warum kann die denn nicht jetzt berücksichtigt werden?“

Ihr Interesse hingegen ist, den Einigungsprozess, der in der Teamsitzung getroffen wurde, nicht wieder ins Wanken zu bringen. Auf der Handlungsebene können Sie sich fragen, ob Sie Chris von Anfang an entschieden genügend gesagt haben, dass Sie jetzt keine Kursänderung vornehmen werden. Auf der Beziehungsebene können Sie sich fragen, wieso kommt Chris mit seiner Idee hinterher gekleckert?

Das kann viele Gründe haben, hier nur drei mögliche Aspekte:

  • Chris sucht das Gespräch mit Ihnen, weil er sich zu wenig von Ihnen gesehen fühlt.
  • Chris denkt länger über das Thema nach und kommt dann zu anderen Ergebnissen.
  • Christ braucht einen besonderen Platz in Ihrem Team.

Als Führungskraft ist es gut, wenn Sie sich darüber einmal ein paar Gedanken machen. Setzen Sie sich auch mit sich selbst auseinander:

  • Reagiere ich auf Chris besonders?
  • Höre ich tatsächlich weniger auf seine Ideen?
  • Kann die Entscheidung tatsächlich nicht mehr verändert werden – und wieso?

Wenn Sie sich ernsthaft mit diesen Fragen befassen, kommen Sie mit etwa Übung in die Lage, Konflikte an Ihrem Arbeitsplatz aus mehreren Perspektiven zu sehen und damit besser zu verstehen. Das gibt Ihnen einen größeren Handlungsspielraum.

Kleiner Tipp

Hier wieder der Anschluss an den vorigen Blogartikel in dieser Reihe. In der Auseinandersetzung mit den genannten Fragen, schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe:

  • Sie nähern sich den unbewussten Anteilen von Konfliktsituationen an.
  • Sie filtern klarer heraus, welche Sachinteressen und welche anderen Interessen mit im Spiel sind.

Dieses Sortieren hilft Ihnen, im Konfliktfall weitere Handlungsoptionen zu entwickeln.

Denksportaufgabe #4

Und hier die Denksportaufgabe für die kommenden vierzehn Tage. Für Sie als Teamleitung sind die spannenden Fragen:

  • Was sind Ihre Interessen in aktuellen Konflikten?
  • Welche Interessen vermuten Sie bei anderen?
  • Was würde passieren, wenn beide Perspektiven Raum bekämen?

Schauen Sie sich selbst doch einmal über die Schulter – wie Sie reagieren und halten Sie Ihre Selbst-Beobachtungen fest.

Mehr zur Frage, in welchen Situationen wir in Konflikt mit uns selber geraten, lesen Sie im nächsten Blogbeitrag. Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute und vor allem: interessante Selbst-Beobachtungen.

Mit konstruktiven Grüßen aus Wuppertal
Ihre Sabine Wengelski-Strock

 

Weitere Beiträge der Reihe:

  1. K wie Konflikt
  2. Warum lieben manche die Harmonie und andere das Kampfgetümmel?
  3. Wie frei sind wir eigentlich in Konfliktsituationen?